15-Jährige geht für ein Jahr in die USA
Kürzlich hat sich Selina ein Tagebuch gekauft — mit einer amerikanischen Flagge auf dem Umschlag. Bald wird sie viel darin zu schreiben haben. Denn Selina geht in die USA. In wenigen Wochen besteigt die 15-Jährige das Flugzeug. Die nächsten 10 Monate wird sie in einem 1700-Seelen-Dorf in Michigan verbringen, an einem See mit dem malerischen Namen Diamond Lake.
Von Schmelz nach Michigan – für die abenteuerlustige Selina gar kein so großer Schritt. „Ich habe Brieffreunde in Hongkong, Malaysia, Korea, den USA und Italien, chatte mit Menschen überall auf dem Globus“, erklärt sie. Alles auf Englisch natürlich, so dass sie schon viel Übung hat, sich in der Fremdsprache mitzuteilen.
Die Idee zum Auslandsjahr ist dem jungen Mädchen im vergangenen Jahr während einer Klassenfahrt nach England gekommen. „Ich habe mich oft mit den Gasteltern unterhalten und dabei richtig Lust bekommen, mal länger ins Ausland zu gehen“, erinnert sie sich. Nach der Klassenfahrt begann Selina zu recherchieren und entschied sich schließlich für eine Austausch-Organisation. Die plant nicht nur die Reise und vermittelt ehrenamtliche Gasteltern, sondern sorgt auch für eine gute Vorbereitung der Reise und für die Betreuung der Gastschüler während ihres Aufenthaltes.
Dennoch blieb für Selina viel Arbeit. Eine Bewerbung mit ausführlichem Motivationsschreiben verfassen, ein Auswahlgespräch führen, Tests in Englisch und Mathe absolvieren, einen 60-seitigen Fragebogen für das Visum ausfüllen, alle nötigen Impfungen machen lassen. Zum Glück hat Selina nicht nur einen Platz im Austauschprogramm bekommen, sondern auch noch ein Stipendium gewonnen. Ansonsten hätte es schwierig werden können, denn Flug, Nebenkosten und Gebühren verschlingen knapp 10.000 Euro.
In Thüringen hat Selina kürzlich eine Vorbereitungswoche verbracht, wo sie nicht nur andere Austauschschüler kennenlernte, sondern auch viele gute Tipps für ein erfolgreiches USA-Jahr bekam. „WhatsApp“ löschen zum Beispiel und nicht zu oft zu Hause anrufen. Sonst droht Heimweh. Noch steht Selina dem ganz cool gegenüber. „Ich war schon oft alleine unterwegs und sehe das ziemlich locker. Aber meine Mutter eher nicht“, erklärt sie. Einmal habe ihre Mutter geweint. „Da ist ihr klar geworden, dass ich an meinem Geburtstag nicht da sein werde.“
Mit ihrer Gastfamilie in Michigan tauscht Selina schon fleißig E‑Mails aus. „Die Leute haben sechs Kinder zwischen sieben und zwölf, da geht es rund“, meint die 15-Jährige. Daran ist sie gewöhnt, schließlich hat sie selbst drei Geschwister. „Die werden mich vermissen“, vermutet sie, „aber es wird schon gehen.“
Familie Schmidt hat entschieden, dass Selinas Stuhl am Küchentisch nicht leer bleiben soll, wenn sie in Amerika ist. Deswegen haben sich die Schmidts bereit erklärt, selbst Gasteltern zu werden. Im August erwarten sie die Ankunft einer japanischen Austauschschülerin. Die soll dann auch an Selinas statt ihre Klasse an der Schmelzer Kettelerschule besuchen. „Wir freuen uns, dass Selina diese tolle Chance wahrnimmt und unsere Schule die Gelegenheit hat, eine japanische Schülerin aufzunehmen“, sagt Schulleiterin Isabella Katzorke.
Bei Familie Schmidt sind die Vorbereitungen für Selinas Reise unterdessen in vollem Gange. Manchmal, ganz selten, findet Selina all das einschüchternd, was da auf sie zukommt. Aber nur für einen kurzen Moment. „So eine tolle Erfahrung kann ich schließlich nie wieder machen“, sagt sie sich dann resolut.